Der politische Werdegang von Francis Bacon
Francis Bacon wurde am 25. Januar 1561 geboren. Sein Vater, Sir Nicholas Bacon, gehörte dem niederen Adel an und hatte das Amt des Großsiegelbewahrers inne. Seine Mutter Ann Bacon war Mitglied einer tiefreligiösen Gruppe - den sogenannten „Nonkonformisten “ - eine Gruppe, welche nur die Bibel als das bindende Wort Gottes ansah und aus heutiger Sicht als Vorläufer der Puritaner zu betrachten ist. Krohn bemerkt zutreffend, daß der Einfluß seiner religiösen Mutter auf das Denken Bacons nicht unerheblich wa r. Sie war äußerst gebildet, konnte Griechisch und Latein und hatte sogar kirchliche Schriften ins Englische übersetzt. In einem Zeitalter, in dem viele Adelige weder lesen noch schreiben konnten, waren solche Kenntnisse bei einer Frau eine sehr seltene Ausnahme. Neben der Prägung durch die Mutter dürfte auch das juristische Amt seines Vaters ihn in bereits jungen Jahren deutlich beeinflußt haben. Seine Laufbahn als Jurist war damit schon vorgezeichnet. Interessant ist, daß Bacon bereits nach dem Besuch des Trinity Colleges im Alter von knapp 16 Jahren die aristotelischen Lehren abgelehnt hat (und wahrscheinlich darin auch durch seinen Vater bestärkt wurde). Der erste Auslandsaufenthalt in Frankreich von September 1576 bis zum Frühjahr 1579 führte ihm eindrucksvoll vor Augen, welches die Folgen von religiösen Streitigkeiten sein können. Der Tod seines Vaters zwang ihn jedoch relativ früh sich um ein Staatsamt zu bemühen. Mit Hilfe seines einflußreichen Onkels, Lord Burghley, erhielt er bereits 1581 einen Parlamentssitz. Dies war der Beginn seiner politischen Laufbahn.
Seine politischen Ansichten und Ziele
Unstrittig ist, daß Bacon sich notwendigerweise mit beinahe allen Gebieten der Politik beschäftigt hat. Eines seiner Hauptziele war die Lösung des Konflikts zwischen den verschiedenen Konfessionen. Das Nebeneinander unterschiedlicher christlicher Glaubens bekenntnisse erschien ihm durchaus möglich. Da die Katholiken auch in England immer noch dem Papst zu Gehorsam verpflichtet waren, gleichzeitig jedoch von ihnen der absolute Gehorsam ihrem Land gegenüber gefordert wurde, sahen sich die Katholiken in eine r ausweglosen Lage den widersprüchlichen Ansprüchen zu genügen. Bacons Absicht war es nun das Loyalitätsproblem juristisch dahingehend zu lösen, daß die Katholiken nach wie vor dem Papst in allen geistlichen Dingen gehorsam sein konnten, jedoch im Falle einer militärischen Intervention des Papstes sich dem Nationalstaat verpflichten sollten. Ähnliche Gesetzesnovellen wollte er für das Verhältnis Englands zu Schottland, bzw. zu Irland verfassen. Beide Länder waren stark durch den Katholizismus geprägt. Währe nd Schottland enger an England gebunden werden konnte, ließ sich Irland hingegen nur durch starke, repressive Maßnahmen, gestützt durch militärisches Eingreifen, in der Union halten. Die Problematik, welche die Religionsfreiheit und die Stellung des Bürgers zum Staat betrifft, hätte eigentlich durch eine grundlegende Verfassung geregelt werden müssen. Bacon hatte dies vor, aber er bekam niemals die notwendige Legitimation dazu. Immerhin finden sich Bacons Ansichten zur Religionsfreiheit in den Essays, wie in seinem utopischen Roman „Neu-Atlantis“ wieder. Bacon unterscheidet zwischen „wesentlichen und Grundfragen der Religion“ und „Ansichtssachen, Fragen der Ordnung“. Eindeutig ist jedoch zunächst für ihn, daß nur der christliche Glaube der einzig richtige Glaube sein kann. Die Religionsfreiheit ist somit nur die Freiheit zwischen verschieden Facetten des christlichen Glaubens (Katholizismus, Protestantismus, etc.) - also verschiedenen christlichen Konfessionen - auswählen zu dürfen.
Nicht nur Probleme der Meinungs- und Religionsfreiheit, bzw. einer Verfassung im Sinne eines Grundgesetzes wollte er lösen, sondern auch die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme lindern. So unterstützte er Ideen, welchen man heute als „Bodenreform“ bezeichnen würde:
„Deshalb war der Plan König Heinrich VII., worüber ich in meiner Geschichte seines Lebens ausführlich gesprochen habe, wohldurchdacht und weise, daß er für Güter und Höfe eine bestimmte Größe anordnete. Sie mußten mit einem so großen Bodenanteil ausgestattet werden, daß er seinem Besitzer einen ausreichenden Wohlstand ohne knechtische Abhängigkeit gewährleistete; wodurch der Pflug in der Hand des Eigentümers verblieb und nicht in der von bloßen Lohnarbeitern.“
Eine Bodenreform erfüllt außerdem darüber hinaus einen ganz bestimmten Zweck. Es werden Unruhen vermieden. Die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Kleinbauern verhindert Hungersnöte und „eine große Not“.
„Der Stoff zum Aufruhr ist von zweierlei Art: große Not und großes Mißvergnügen.“, „[..] denn die Empörungen des Magens sind die schlimmsten.“
Die „Empörungen des Magens“ zu bekämpfen ist ein vordringliches Ziel, wenn man - wie Bacon - eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse erreichen will. Damit ist aber immer noch nicht das eigentliche Ziel erreicht. Die politische Stabilität einer Gesellschaft hat für Bacon lediglich den Charakter eines Zwischenziels.
Dahinter steht eine Überlegung, aus einer wichtigen Überzeugung heraus geboren. Unruhen sind dem Wohl der Menschen abträglich; sie können das Leben kosten - dies ist Bacons Grundtenor.
Bacon versucht sogar durch medizinische Ratschläge die Gesundheit der Menschen zu fördern und sich somit um alle Belange der Menschen kümmern. Whitney stellt fest:
„Besides his ´honest mind and inclination toward the benefit of the human race´ and the ´everlasting love of truth´ (IV, 8), Bacon offers only one other character trait that has helped him to his insights: humility.“
Bacon erhebt die Mitmenschlichkeit, wie Whitney ebenfalls erkennt, zur ersten Tugend:
„Von allen Tugenden und seelischen Vollkommenheiten ist sie die größte, da sie das Wesen Gottes ist.“
Die Liebe zur Wahrheit ist in ihm fest verankert. Sie wird sich auch in seiner Wissenschaftstheorie niederschlagen, wie später noch gezeigt werden wird. Das Wohl aller Menschen liegt Bacon am Herzen. Es scheint fast, daß die protestantische Grundhaltung s einer Mutter in der Person Bacons ihren Niederschlag findet.
Besonders beeindruckt bei der Lektüre der Bibel hat ihn wohl die Person des König Salomons. So lesen sich einige Seiten im „Advancement of Learning“ wie ein Kommentar zu den „Sprüchen“ aus der Bibel. Ruhe und Frieden unter den Menschen zu bewahren ist für Bacon ein entscheidendes Leitmotiv, welches er den „Sprüchen“ mit entnommen hat.
Es liegt auf der Hand, daß Bacon eine starke Zentralmacht befürwortet, welche den Frieden sichert und so unterstützt er die Position des Königs. In dieser Hinsicht muß man Bacon als konservativen Politiker lesen. Konservativ ist er nur insofern, als daß er eine pragmatische Entscheidung zugunsten des starken Souveräns trifft. Der Grundgedanke, nämlich Unruhen zu vermeiden, findet sich später tragend in seiner politischen Utopie wieder. Da Bacon andererseits als Begründer einer modernen Form von Wissenschaft aufgefaßt, also progressiv verstanden wird, mag dies zunächst als Widerspruch erscheinen. Betrachtet man hingegen seine konservative Haltung als zweck- und nutzenorientierte Ausformung seiner Absichten im Sinne der Verfolgung eines Zwischenziels und somit nicht als seine originäre Gesinnung, dann löst sich der Widerspruch auf. Leider wird in der Literatur oft begrifflich nicht zwischen einer „Haltung“ im Sinne seiner Verhaltensweise und einer „Gesinnung“ im Sinne seiner Absichten unterschieden.
Politiker sind Staatsdiener. So klar wie bei Bacon wird es selten formuliert:
„Menschen in hoher Stellung sind dreifach Diener - Diener ihres Fürsten oder Staates, Diener ihres Rufs und Diener ihres Amtes, so daß sie weder über ihre Person noch über ihre Handlungen, noch über ihre Zeit frei verfügen können.“
Beeindruckend ist wie Bacon sich gegen eine schlechte Amtsausübung aus der Sicht des Politikers schützen möchte:
„In hoher Stellung besitzt man die Macht, Gutes und Böses zu tun, wovon das letztere ein Fluch ist. Die beste Einstellung gegenüber dem Bösen ist, es nicht zu wollen; die nächstbeste, es nicht tun zu können.“
Die Selbstreflexion mutet sehr pragmatisch und doch sehr realistisch an. Bacon erkennt richtig, daß gute Absichten nicht unbedingt notwendigerweise vor dem schlechten Tun schützen. Die vorliegende Textstelle, wie auch seine Absicht eine Verfassung zu schreiben, kann als Indiz dafür gelten, daß Bacon die Schaffung einer stärker instituitionalisierten Staatsform im Sinn hatte. Wohl wäre sie der Form nach zunächst eine Monarchie. Ausschlaggebend für Bacon ist die Frage nach der Funktionalität und vor allem in wieweit eine bestimmte Staatsform dem Wohle aller Menschen dient. Eine schlüssige Lösung, welche eine Demokratie als Staatsform vorsähe und durch einen institutionellen Charakter sich hervorheben würde, hätte auch für Bacon durchaus akzeptabel sein können .
Wenn Bacon von „Menschen in hoher Stellung spricht, so meint er damit nicht notwendigerweise Adelige, welche zu „Amt und Würden“ kommen. Es können auch Bürger des Landes sein, welche den Aufstieg geschafft haben. Bacon selbst sieht sich auch nicht so sehr dem Adel verbunden. Wie bereits erwähnt entstammte er einer Familie aus dem niederen Adel, was sich auch auf seine wirtschaftliche Situation übertrug, welche man nur schwerlich als ausreichend oder sicher bezeichnen konnte. Auch andere Aussagen deuten darauf hin, daß Bacon indirekt eine Stärkung des Bürgertums anstrebte. So stellt er fest, daß Söldnerheere kaum dazu geeignet sind einem Nationalstaat langfristig die notwendige Sicherheit zu geben. Bacon favorisiert eindeutig eine Bürgerwehr, welche den Staat vor äußeren Übergriffen schützen soll. Eine Stärkung des Bürgertums stärkt auch den Staat. Farrington interpretiert Bacon ebenfalls in die Richtung, daß Bacon dem überkommenen Feudalismus das Ende habe bereiten wollen. Es gibt aber genauso auch die gegenteilige Ansicht, daß Bacon primär ein Royalist gewesen sei und politische Veränderungen gar nicht beabsichtigt habe. Die Argumentation, daß Bacon sich ja mit Elisabeth I., bzw. Jakob I., versucht hätte zu arrangieren und die königlichen Ansprüche immer gegen reformerische Kräfte unterstützt hätte, stützt sich unter anderem auf die von Bacon selbstgemachte, anscheinend ziemlich deutliche Aussage:
„Ferner ist es ratsam, keine Neuerungsversuche mit Staaten anzustellen, außer wenn die Notwendigkeit dringend und der Nutzen offenbar ist.“
Der erste Halbsatz deutet zunächst auf eine Unterstützung der These, daß Bacon Royalist gewesen sei. Der zweite Halbsatz offenbart bereits, wie gefährdet diese These ist. Wird das Wohl der Menschen durch eine Neuerung des Staatswesens deutlich und nachhalt ig befördert, so würde auch Bacon die Neuerung ohne Weiteres begrüßen. Gleichzeitig verwehrt er sich gegen Experimente in der Politik. Seiner Ansicht nach gereichen voreilige Veränderungen dem Staat eher zum Nachteil als zum Nutzen. Kurz und knapp könnte man Bacon als einen vorsichtigen Reformer bezeichnen, der sich seiner begrenzten Fähigkeiten durchaus bewußt ist. Anstehende politische Entscheidungen sollten pragmatisch gelöst werden, wobei er sich dabei an Machiavelli orientiert. Insbesondere White hebt hervor, wie sehr sich einige pragmatische Überlegungen von Machiavelli und Bacon ähneln. Beiden gemeinsam ist z.B. die Idee eine Bürgerwehr aufzubauen um den Staat nach Außen hin zu verteidigen. Der Herrscher muß jedoch tugendhaft sein und sein Handeln a n der heiligen Schrift ausrichten. Man kann dies dahingehend interpretieren, daß Bacon der Vorstellung des guten Herrschers aus dem Mittelalter nachhängt. Im Hinblick auf seine Biographie drängt sich dagegen der Eindruck auf, daß seine Ansichten vielmehr einer protestantischen Einstellung entsprechen. Von einer göttlichen Legitimation des Königs wird nämlich bei Bacon nicht gesprochen. Er stellt dagegen fest, daß auch „die Könige selbst wie alle übrigen Menschen ihre Mängel und Fehler haben“.
Politisches Handeln ist immer von dem Wissen abhängig, welche kausalen
Zusammenhänge vorliegen. Ein Handeln ohne dieses Wissens heißt blinden
Aktionismus zu betreiben und damit mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Das
erkennt Bacon schon in seinen frühen Jahren. Das Handeln der Machthaber ist
jedoch nur selten durch Wissen geprägt. Intuitionen spielen eine weit
größere Rolle. Aberglauben und Alchemie sind noch weit verbreitet.
Folgerichtig müssen, um dem Machthaber eine besseres Handeln zu
ermöglichen, erst die wissenschaftlichen Grundlagen gelegt werden. Auch wenn
Bacon eigentlich „nur“ Jurist ist, erscheint es ihm als seine Aufgabe
für Fortschritte in der Wissenschaft zu sorgen. Die zunächst etwas
diffuse Idee formt sich im „Neuen Organon“ zu einer
Wissenschaftstheorie aus, welche alle Gebiete des menschlichen Wissens
umfaßt.
Bacons politische Praxis
Die Regierungszeit von Elisabeth I.
Die äußeren Umstände - der Tod seines Vaters - zwangen Bacon dazu sehr früh auf eigenen Beinen stehen zu müssen. Mit dem Eintritt ins Parlament verknüpft sich zweierlei: Zum Einen beginnt damit Bacons politische Karriere, zum Anderen übt er damit seinen Beruf als Jurist aus. In der Funktion als Rechtsgelehrter befaßte er sich zunächst vor allem mit Fragen der religiösen Konflikte in England. In diesem Zusammenhang konnte er auch seine eigenen Gedanken und Vorstellungen argumentativ einfließen lassen. Im Ergebnis rekapituliert er seine eigene Ansichten über Glaubensfragen. Der Kerngedanke lautet: Lediglich über Nebensächlichkeiten wird gestritten und diese betreffen nicht die eigentlichen Glaubensgrundlagen. Die Streitigkeiten sind unnötig und sollten ihrer Nichtigkeit wegen aufgegeben werden.
Nebenher widmet Bacon seine Aufmerksamkeit den Wissenschaften. Bacons Bestreben der Politik ein sicheres Fundament mittels Wissen zu geben, kommt in einem Brief an seinen Onkel Lord Burghley zum Ausdruck. In einem Brief von 1592 bringt er vor, daß es zur Durchführung seiner wissenschaftlichen Vorhaben mehr Köpfe als seinen eigenen brauchen würde. Mit anderen Worten: Er möchte eine Einrichtung mit wissenschaftlichen Angestellten eröffnen, welche er (Bacon) leitet. Burghley hätte ihm die Geldmittel garantiert verschaffen können - tat es aber nicht. Schon in dem Brief läßt Bacon durchblicken, für welch überragende Person er sich hält. Bacons Selbstdarstellung findet wohl bei Burgley wenig Anklang.
Der Stil des Briefes - die Selbstbeweihräucherung und Hervorhebung der eigenen Leistungen - ist symptomatisch für Bacons Auftreten. Zu jeder sich bietenden Gelegenheit, weist er darauf hin, wie sehr doch seine Leistungen bisher unterschätzt wurden und welch große Dinge er noch vorhabe. Selbstredend ist, daß er sich damit nicht unbedingt Freunde gemacht hat.
Nachdem Burgley keinerlei Anstalten macht, Bacon weiter zu fördern, sucht sich Bacon anderweitig einen Gönner. Einen solchen braucht Bacon auch unbedingt, da er teilweise in argen Geldsorgen steckt.
Zunächst scheint es eine günstige Fügung, daß Bacon den Earl of Essex, einen engen Berater von Elisabeth I., zu seinem Freund gewinnt. Dadurch kommt Bacon wieder etwas näher an das Machtzentrum heran, ohne jedoch direkt Elisabeth I. sprechen zu können. Ess ex beschafft Bacon einen Geheimdienstposten, welcher aber ebenfalls nur schlecht dotiert ist. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß als Untersuchungsmethode der damaligen Zeit die Folter als legitimes Mittel zur Informationsbeschaffung angesehen wurde. Bacon mochte diese Art der Untersuchungen nicht besonders. Er war jedoch auf die Einkünfte angewiesen und so lernte er die dunklen Seiten des Staatsapparats eindrücklich kennen.
Das Jahr 1593 wirft Bacon in seinem Karrierestreben weit zurück. Zunächst hatte er sich als Redner im Parlament profiliert. Jedoch machte er einen entscheidenden Fehler, der seiner weiteren Karriere nicht gerade förderlich war. Ohne es zu wollen, geriet Bacon zu einem Widersacher der Königin, als er öffentlich die Forderung nach neuen Gelder für die Krone kritisierte. Obwohl er eigentlich nur den Zeitraum zur Geldbeschaffung etwas dehnen wollte, da er Unruhen und Aufstände befürchtete, wurde ihm dies als offener Widerspruch ausgelegt. Der Königin gefiel die Kritik überhaupt nicht und damit hatte er sich jede Hoffnung auf ein politisches Amt verscherzt. Auch die Fürsprache seines Freundes Lord Essex half nichts - Bacon war und blieb bei der Königin abgeschrieben. Es scheint, daß die Königin von seinen etwas übertriebenen Schmeicheleien und Bittgesuchen eher abgestoßen wurde, als daß Bacon damit seinem Ziel der Erlangung eines gut dotierten Postens näher gekommen wäre. Bestärkt wurde Elisabeth I. in ihrer ablehnenden Haltung Bacon gegenüber vielleicht sogar durch Lord Burgley, Bacons Onkel. Es wird in der Literatur mitunter die Ansicht vertreten, daß Burgley seinen Neffen für einen arroganten Wichtigtuer hielt, der zur praktischen Politik unfähig wäre.
Einen weiteren Tiefpunkt erreicht Bacons Leben 1598 als er von der Straße weg verhaftet wird und wegen unbezahlten Rechnungen einige Tage im Schuldturm verbringen muß. Es sollte aber noch schlimmer kommen. Ausgerechnet sein Gönner, der Earl von Essex, wagt e einen Putschversuch gegen die Königin.
Paradoxerweise fällt Bacon die Aufgabe zu die Anklageschrift gegen Essex zu verfassen. Da die Umstände der Tat eindeutig sind, wird Essex für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.
Mit der Hinrichtung von Essex endet auch ein Kapitel in Bacons Leben. Solange Elisabeth I. lebte, konnte sich Bacon keine Hoffnungen auf irgendwelche bedeutenden politischen Ämter machen. Kurz faßt Farrington zusammen:
„Bacon´s career under Elizabeth had been one long
disappointment.“
Der Aufstieg unter Jakob I.
Der Tod von Elisabeth I. ist Bacons Glück. Die Thronbesteigung durch Jakob I. im Jahr 1603 bringt für Bacon die lang ersehnte Anerkennung mit sich. Für seine Bestrebungen England und Schottland zu vereinigen, wird Bacon zum Ritter geschlagen. Bacon nutzt d as Interesse des Königs für die Wissenschaften zu seinem Zweck. Eine Supernova im Jahr 1572 wurde von Tycho Brahe, einem der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit, zum Anlaß genommen wurde die „Astronominae Instauratae Progymnasmatum“ (1602 veröffentlicht) zu schreiben. Jakob I. ist von Tycho Brahes vorgelegten Ergebnissen in der Astronomie beeindruckt. Bacon weiß dies und greift den Begriff der „Instauratio“ auf, um ihn als als Titel für sein Vorhaben namens „Instauratio Magna“ zu benutzen. Die Absicht Bacons liegt auf der Hand: Er möchte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und dem König suggerieren, daß er - Bacon - ein noch viel größeres Werk zu schreiben beabsichtigt. Bacons Werk „Advancement of Learning“ wird im Jahr 1605 veröffentlicht und tatsächlich dem König vorgelegt. Zwar gelingt es Bacon nicht das Interesse des Königs in Geldmittel für die Forschungen umzumünzen, aber er wird von Jakob I. nunmehr als ein treuer und loyaler Gefolgsmann wahrgenommen. Damit beginnt Bacons rasanter Aufstieg in hohe politische Ämter. Anscheinend wird Bacon schnell als Günstling des Königs entdeckt, denn nur so läßt es sich erklären, daß ihm die erst 14-jährige Alice Barnham von ihren reichen Eltern zur Ehe anvertraut wird. Die Eheschließung wird in großem Prunk gefeiert und verbraucht einen großen Teil der Mitgift. Die Spekulation der Eltern auf einen erfolgreichen Schwiegersohn ging bereits 1607 in Erfüllung, als der König Bacon zum zweiten Kronanwalt bestellt. In gleichem Maße wie Bacon in der politischen Hierarchie aufsteigt, schlagen ihm Mißgunst und Neid aus dem Parlament entgegen. Es ist kein Wunder, da er die Position des Königs in seiner Funktion als Jurist vertritt und systematisch versucht die Gegner des Königs auszuschalten. So entwickelt sich Bacon im Parlament zum starken Fürsprecher der Monarchie. Nebenbei vertritt Bacon eine Vision eines Groß-Britanniens, welches die Meere beherrscht und als Weltmacht die internationalen Geschicke bestimmt. Grundlage einer expansiven Politik ist ein im Innern gefestigt er Staat, der solide Finanzen präsentieren kann und durch seine wirtschaftliche Potenz die anderen Staaten auf die Plätze verweist. Bacon hebt hervor, daß Gold allein keinen Staat sichern kann. Erst die wirtschaftliche, verbunden mit der militärischen Überlegenheit garantiert eine Vormachtstellung.
In der Tat beginnt bereits die Industrialisierung Englands während Bacons Laufbahn. Der Aufstieg des Bürgertums und der Verlust alter Adelsprivilegien ist gleichermaßen damit verbunden. So verfolgt Bacon im Parlament das Ziel die ökonomische Situation seines Landes zu verbessern ohne gleichzeitig den König zu schwächen. Der König seinerseits ist auf Bacon als Fürsprecher im Parlament angewiesen, da die Mitglieder des Parlaments ständig seine finanziellen Forderungen angreifen. Bacon wird 1613 zum ersten Kronanwalt befördert und 1616 steigt er zum Geheimen Staatsrat auf, 1617 ist er bereits Großsiegelbewahrer und schließlich erreicht er 1618 das Amt des Lordkanzlers. Mittlerweile ist Bacon zum primären Angriffsziel des Parlaments geworden, da Bacon bei jede r Gelegenheit eine absolutistische Position vertritt. Er schafft es weder dringende wirtschaftliche Reformen noch einen Ausgleich mit dem Parlament herzustellen. Wie Bacon selbst bemerkt ist ein hohes Amt immer bedroht:
„Der Boden hoher Stellungen ist schlüpfrig und das Ende entweder ein Sturz oder zum mindesten Ungnade, was eine betrübliche Sache ist.“
Im Jahr 1621 wird Bacon, kurz nachdem er zum Viscount St. Alban ernannt wurde, der Bestechlichkeit angeklagt. Bacon verteidigt sich mit der Aussage, daß er zwar Gelder aus privater Hand angenommen habe, er sich aber in seinen Entscheidungen dadurch nicht hätte beeinflussen lassen. Diese Aussage wirft ein bezeichnendes Licht auf Bacon. Er glaubt sich selbst immer im Recht und ist nicht bereit eigene Unzulänglichkeiten zuzugeben. Faktisch war jedoch der Vorwurf der Bestechung nur ein Vorwand um Bacon aus dem Parlament zu entfernen. König Jakob I. wollte einen weiteren Konflikt mit dem Parlament vermeiden und entschloß sich daher Bacon fallen zu lassen. Bacon wurde verurteilt, um jedoch schon nach kurzer Zeit vom König begnadigt zu werden. Die Befürchtungen Bacons, daß ein Sturz das Ende der Karriere bedeuten könnte, bewahrheiteten sich nun an ihm selbst. Mit Bacon als Lordkanzler verlor Jakob I. eine wichtige Figur im Machtspiel um das Parlament. Es wird unter anderem auch vermutet, daß eigentlich der Herzog von Buckingham anstatt Bacon das eigentliche Ziel der politischen Intrige war. Da Buckingham als Bauernopfer seitens des Königs nicht zur Disposition stand, trafen die Angriffe aus dem Parlament statt dessen den Lordkanzler Bacon.
Für Bacon war jedenfalls die politische Karriere endgültig zu Ende.
Politisch spielte er keine Rolle mehr. Von nun an konzentrierte sich Bacon voll
und ganz auf seine wissenschaftlichen Arbeiten - Zeit genug stand ihm ja jetzt
zur Verfügung.
Zur Einschätzung der Person Bacons
Die Person Bacons wird hinsichtlich seiner politischen Gesinnung unterschiedlich
eingestuft. Einmal erscheint er als fortschrittlicher und moderner Denker, ein
anderes Mal muten seine Ansichten konservativ und mittelalterlich an. So wird
Bacon bei Crowther sozialreformerisch interpretiert, bei Gooch tritt Bacon als
ein Royalist auf, und Kogon-Bernstein betrachtet ihn als eine reaktionären
Vertreter des Großbürgertums. Ganz offensichtlich handelt es sich um
drei verschiedene Bacons. Eine Lösung, Fortschrittlichkeit und
Konservatismus in Einklang zu bringen ist diejenige, nämlich Bacon als
fortschrittlichen Philosophen und als konservativen Politiker anzusehen. Dieser
Vorschlag erledigt sich aber von selbst, wenn denn Bacons Philosophie die
Grundlage seiner Politik sein sollte. Es wäre sehr merkwürdig, wenn
fortschrittliches philosophisches Denken ein konservatives politisches Denken
fördern sollte. Wie schon an früherer Stelle darauf hingewiesen
muß zwischen Gesinnung und Verhalten unterschieden werden. Gerade das
opportunistische Verhalten Bacons überdeckt desöfteren seine
originären Absichten
Wenn man einmal davon Abstand nimmt Bacon einem bestimmten politischen Lager
zuordnen zu wollen, kann es durchaus gelingen einen Ansatz zu finden, der der
Person Bacons gerecht wird. Die These lautet: Bacon will keine Ideologie
präsentieren, sondern Problemlösungsmodi für alle Bereiche der
menschlichen Erfahrungswelt.
Handeln heißt für Bacon Probleme zu lösen. Politisches Handeln bedeutet daher soziale Probleme einer Lösung zuzuführen.
Insgesamt kann man Bacon als einen pragmatischen Denker einstufen, der das große Ziel des Wohles aller Menschen verfolgt. Seine refomerischen Absichten gehen nur soweit, als daß immer eine günstige Kosten-Nutzen-Relation gegeben sein muß. Revolutionen lehn t er ganz ab. Seine gemäßigte Denkart ist im Vergleich mit den radikalen Thesen eines Thomas Hobbes daher auch in ihrer Darstellung konservativ. Kosten-Nutzen-Relationen können nur mittels entsprechendem Wissen über eine Problematik aufgestellt werden. Hi e r liegt nach Ansicht Bacons das größte Defizit jeden politischen Handelns. Bacon wurde schon in seinen Jugendjahren bewußt, daß es absolut notwendig ist, Zusammenhänge zu verstehen um eine gezielte Handlung anschließend durchführen zu können. Anderseits zeigen erst die Folgen einer Handlung, welches die kausalen Zusammenhänge sind. Um dieses Defizit an Wissen zu beheben, beginnt Bacon ein großes Programm, das weder er noch irgend jemand sonst jemals wird beenden können - gemeint ist sein Wissenschaftsprogramm, welches den Keim in sich birgt immer wieder Neues wissen zu wollen und niemals zum Ende kommen zu können. Mit seinem Wissenschaftsprogramm hat er Außerordentliches vor, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.